"Heterarchische Systeme sind also verteilte, d.h. distribuierte und in ihrer Distribution kooperativ verknüpfte Systeme, die nicht im Logischen, sondern in der Kenogrammatik, als allgemeiner Architektur und Grammatik (genauer: Graphematik) fundiert sind."
„Die Polykontexturalitätstheorie, die eine Theorie heterarchischer Systeme darstellt, geht nun davon aus, daß zur Beschreibung komplexer Systeme nicht nur eine Vielzahl von irreduziblen Standorten eingenommen werden muß, sondern daß jedem Beschreibungsstandpunkt auch ein Ort im Beschriebenen entspricht. Ein heterarchisches System stellt also in sich selbst eine Vielheit dar.
Diese verschiedenen Orte, die als Platzhalter von Logiksystemen fungieren, und damit vorlogischen Gesetzen entsprechen, für die der Satz der Identität im logischen Sinne nicht gilt, lassen sich dennoch nach Gleichheit und Verschiedenheit unterscheiden. Diese Orte sind als Platzhalter inhaltlich leer, markieren nur den Ort, den ein logisch-arithmetisches System einnehmen kann. Die Architektur und Grammatik dieser Orte wird von der Kenogrammatik (kenos = leer) erfaßt und geregelt. Heterarchische Systeme sind also verteilte, d.h. distribuierte und in ihrer Distribution kooperativ verknüpfte Systeme, die nicht im Logischen, sondern in der Kenogrammatik, als allgemeiner Architektur und Grammatik (genauer: Graphematik) fundiert sind.
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Die Ermöglichung der Distribution und Vermittlung von Systemen leistet die Kenogrammatik. Dies ist eines der wichtigsten Abgrenzungskriterien gegenüber Konzeptionen wie dem Calculus for Self-Reference, den Polyautomaten, Zellular-Automaten usw. Diese sind durch eine direkte Selbst-Rückbezüglichkeit und ohne einen Umweg (über die Kenogrammatik) definiert. Der circulus vitiosus der dabei entsteht, wird zwar erkannt, aber überschwänglich zum circulus creativus oder circulus fructuosus erhoben.“
(Aus: Rudolf Kaehr, „Kompass: Expositionen und Programmatische Hinweise zur weiteren Lektüre der Schriften Gotthard Günthers“, Seite 13/14, Profil-Verlag, München 1994)