Die Sicherheit menschlicher Regelwerke als Abgrenzung zur Natur und damit auch als Widerspruch zum Menschen selbst.
Sehr geehrte Wesen!
Schön, dass Sie da sind. Ich bin leider viel zu spät. Das haben Sie sicher schon mit mehr oder weniger Erleichterung festgestellt, oder vielleicht auch nicht festgestellt. Doch keine Angst, es herrscht definitiv ein Einvernehmen, was das Ziel dieser Veranstaltung angeht. Das hat sich bis heute nicht geändert und wird sich vielleicht auch niemals ändern, es sei denn, wir machen zukünftig ein paar Dinge völlig anders, als wir es gewohnt sind. Was war nochmal das Ziel der Veranstaltung? Keine einfache Frage, denn die Analogie der Ziellinie kann bekanntlich für Vieles stehen. In unserem Fall ist es immer wieder eine ganz bestimmte Konfiguration, eine räumliche Kombination vieler kleiner Bestandteile, ein Muster, das es zu erreichen gilt. Und das wird auch heute wieder mit absoluter Sicherheit passieren. Zweifellos die verlässliche Sicherheit der menschengemachten Maschine. Denn das ist es doch letztendlich, was den Menschen unterscheidet, nämlich in der Lage zu sein, der Unberechenbarkeit der Natur, und damit interessanterweise auch sich selbst, etwas entgegensetzen zu können, das mit absoluter Sicherheit nach einem vereinbarten Regelwerk abläuft. Das ist zweifellos unnatürlich, und ob das nun das kleinere oder größere Übel ist, bleibt Gegenstand der Diskussion, einer Diskussion, die selbstverständlich von Menschen geführt wird und daher niemals auf einem logisch sicheren Fundament stehen kann. Nun will ich aber wirklich nicht weiter abschweifen, denn ein Blick auf die kleine, menschengemachte Maschine namens Uhr verrät mir, dass diese ganz bestimmte Konfiguration, die die Ziellinie, und damit das Ende dieser Veranstaltung, bedeutet, kurz bevorsteht. Und damit wäre auch die Frage nach dem Ziel der Veranstaltung endgültig beantwortet. Ein wenig Zeit bleibt noch, und wenn ich mich beeile, dann könnte ich es noch rechtzeitig schaffen, kurz auf das eigentliche Thema einzugehen. Dieses finde ich überhaupt nicht interessant, doch so ist es nun einmal. Und weil es so ist, werde ich davon absehen. Doch nicht nur weil es so ist, sondern auch, um einfach ein bisschen mehr abzusehen, als das normalerweise üblich ist. Denn es ist schon sehr auffällig, wie wenig in letzter Zeit abgesehen wird. Wer weiß denn schon genau, wann er das letzte Mal so richtig abgesehen hat? Ich kann mich nicht erinnern, und vermutlich geht Ihnen das ganz ähnlich. Daher schlage ich vor, dass es in der verbleibenden Zeit um das Absehen gehen soll, um das Absehen als Begriff, das Absehen an sich und selbstverständlich auch um das Absehen im Allgemeinen. Für das Vollziehen der Handlung des Absehens ist es leider zu spät. Damit geht es dann nächstes Mal weiter. Gute Nacht!
Unnatural
Dear beings!
Nice to have you here. Unfortunately I'm much too late. You have probably already noticed this with more or less relief, or maybe you have not noticed it. But don't be afraid, there is definitely a consensus on the purpose of this event. That hasn't changed to this day and may never change unless we do a few things completely differently in the future. What was the goal of the event again? Not an easy question, because to achieve a goal can stand for many things. In our case it is always a very specific configuration, a spatial combination of many small components, a pattern that needs to be achieved. And that will happen again today with absolute certainty. Undoubtedly the dependable safety of the man-made machine. After all, that is ultimately what makes the human being different, namely being able to oppose the unpredictability of nature, and thus, interestingly enough, to counter something that runs with absolute certainty according to an agreed set of rules. This is undoubtedly unnatural, and whether that is the lesser or greater evil remains a matter for discussion, a discussion which is of course led by human beings and therefore can never stand on a logically secure foundation. I really don't want to digress any further now, because one look at the little man-made machine called the clock tells me that this very specific configuration, that is the goal to be achieved, which is the end of this event, is imminent. And that would finally answer the question of the goal of the event. There is still a little time left, and if I hurry, I might be able to get to the actual topic in time. I don't find this interesting at all, but that's the way it is. And because it is so, I will just let it be. But not just because it is, but also to simply let it be something more than it is usually the case. Because it is very striking how little 'let it be' has been practiced lately. After all, who knows exactly when they last really practiced 'let it be'? I can't remember, and I presume you feel the same way. So I suggest that the remaining time should be about 'let it be', 'let it be' as a concept, the 'let it be' itself and of course the 'let it be' in general. Unfortunately, it is too late to carry out the act of 'let it be'. That's what we'll do next time. Good night!