Tertium non datur

Das klassische Denken und die Vorstellung von der grundsätzlichen Möglichkeit eines uneingeschränkten Zugriffes auf die Welt.

Meine lieben Freunde!

 

Schön, dass Sie wieder hier sind. Und noch schöner ist, dass Sie daran gedacht haben, auch Ihre Gehirne mitzubringen. Möglicherweise waren es aber auch Ihre Gehirne selbst, die hier dabei sein wollten und an sich gedacht haben. Wie dem auch sei, am Ende sind alle hier. Nun habe ich das Wichtigste noch gar nicht erwähnt. Denn was nützt es, dass Sie Ihr Gehirn dabeihaben, aber vielleicht wichtige Gehirneigenschaften zu Hause vergessen haben? So ein Materieklumpen ist an sich ja nicht so viel wert. Haben Sie es bemerkt? 'Materie' und 'an sich' in einem Satz. Spaß muss sein. Aber weiter. Die wichtigste Gehirneigenschaft ist sicherlich der Geist. Vielleicht aber auch das Bewusstsein? Ich muss zugeben, da kenne ich mich nicht so gut aus und überlasse diese feinen Unterscheidungen gern fähigeren Geistern und Bewusstheiten. Dagegen ist eine der für mich wichtigsten Gehirneigenschaften die Farbe Blau. Warum auch nicht? Und das Lustige dabei ist, Sie können sich mein Gehirn anschauen ohne zu wissen, ob ich die Farbe Blau wirklich dabeihabe. Da müssen Sie sich ganz auf meine Aussage verlassen. Letztendlich steht nur fest, dass ich die Farbe Blau entweder dabeihabe oder nicht dabeihabe. Tertium non datur. Und da auch das Gehirn im Sinne eines Materiehäufchens dem Drittensatz gehorcht, denn entweder ist etwas vorhanden bzw. aktiv, oder es ist etwas nicht vorhanden bzw. inaktiv, ist die logische Voraussetzung gegeben, um das Vorhandensein der Farbe Blau als Eigenschaft meines Gehirns feststellen zu können. Das war kleiner Ausflug in eine Welt, in der Affirmation und Negation die letzte Grundlage allen Denkens bilden. Und Sie wissen ganz genau, meinen lieben Freude, warum diese Weltvorstellung so verführerisch ist: Es gibt für diese Art des Denkens keine prinzipielle Einschränkung hinsichtlich unserer Zugriffsmöglichkeiten auf die Welt! Insofern bin ich sicher, dass wenn ich mal nicht genau weiß, ob ich die Farbe Blau, als eine der wichtigsten Eigenschaften meines Gehirns, nicht doch zu Hause vergessen habe, es in naher Zukunft möglich sein wird, mittels eines kleinen Scans, die Existenz der Farbe Blau als Eigenschaft meines Gehirns festzustellen, oder auch nicht festzustellen. Gute Nacht!

Tertium non datur

 

My dear friends!

 

Nice to have you back. And what's even nicer is that you remembered to bring your brains too. But it may also have been your brains themselves that wanted to be here and thought of themselves. Anyway, everyone ends up here. I haven't mentioned the most important thing yet. After all, what's the use of having your brain with you, but perhaps forgetting important brain properties at home? Such a lump of matter is not worth that much in itself. Did you notice? 'matter' and 'in-itself' in one sentence. Just kidding. But let's move on. The most important feature of the brain is certainly the mind. But what about consciousness? I have to admit I'm not very knowledgeable about these 'in-itselves' and I'm happy to leave these fine distinctions to more capable minds and consciousnesses. On the other hand, one of the most important brain properties for me is the color blue. Why not? And the funny thing is, you can look at my brain and not know if I actually have the color blue with me. You have to rely entirely on what I said. Ultimately, the only thing that is certain is that I either have the color blue with me or I don't have it with me. Tertium non datur. And since the brain also obeys the principle of the excluded third in the sense of a heap of matter, because something is either present or active, or something is not present or inactive, the logical prerequisite is given to be able to determine the presence of the color blue as a property of my brain. That was a small excursion into a world in which affirmation and negation form the ultimate basis of all thinking. And you know exactly, my dear friends, why this world view is so seductive: There are no fundamental restrictions for this type of thinking with regard to our access to the world! In this respect, I am sure that if I do not know exactly whether I forgot the color blue, as one of the most important properties of my brain, at home, that in the near future it will be possible, by means of a small scan, to determine the existence of the color blue as a property of my brain, or not to determine it. Good night!