Sprache, Denken, Wirklichkeit

 

Ich habe gerade an dich denken müssen.

 

Schön dein Denkobjekt gewesen zu sein.

 

Gern geschehen.

 

Deshalb werde ich jetzt auch an dich denken. Und nicht nur das. Ich werde sogar das Denken an dich denken.

 

Oh, das berühmte Denken des Denkens des Denkobjekts. Oder kurz: Denken des Denkens.

 

Richtig. Damit mache ich das Denken an dich zum Gedachten eines übergeordneten Denkens.

 

Das Denken wird zum Gedachten. Was man mit Sprache so alles anstellen kann...

 

Das ist schon beeindruckend. Und wie funktioniert es tatsächlich?

 

Über dieses Denkobjekt denke ich nicht so viel nach. Ich gehe einfach davon aus, dass die sprachliche Beschreibung die Wirklichkeit exakt abbildet. Das ist wirklich so. Und hier der Beweis. Wir sind uns doch einig, dass es uns beide gibt. Und da du in meiner Denkvorstellung vorkommst, muss es zusätzlich zu deiner Existenz auch noch mein Denken geben, denn erst beides zusammen ergibt meine Denkvorstellung von dir.

 

Beeindruckend. Und so schlüssig. Denken existiert demnach. Und da es existiert, kann man es auch denken.

 

Richtig. Nur, wenn ich so darüber nachdenke, weiß gar nicht, was das genau ist und wie es funktioniert. Aber es gibt dieses Wort, und das Wort muss schließlich für etwas Existierendes stehen, sonst könnte man auch darauf verzichten.

 

Wieder sehr überzeugend.

 

So ist es. Denn wenn man auf das Denken verzichten wollte, dann müsste man sich etwas anderes überlegen. Und das wäre unter Umständen viel komplizierter, als dieses simple Wörtchen. Gut, ich verstehe. Es könnte tatsächlich nur so etwas wie ein Platzhalter für irgendwelche verwickelten Vorgänge sein, beispielweise Handlungen, die ich in meiner Vergangenheit vollzogen habe und die auch mit dir zu tun hatten. Das heißt, ich schöpfe eigentlich nur aus einer Vielzahl von erlernten Handlungszusammenhängen, die sich, und das ist das wirklich Erstaunliche dabei, zu neuen Handlungszusammenhängen kombinieren lassen, um auf diese Art und Weise auch Handlungszusammenhänge entstehen zu lassen, die ich nie aktiv vollzogen habe. Das ist wohl dieser Fall, wenn einem das Gedächtnis einen Streich spielt. Nun gut, Phantasie kennt ja keine Grenzen. Ich könnte mir dich beispielsweise mit einem Zylinder auf dem Kopf vorstellen. Eine sehr schöne Kombination zweier Handlungszusammenhänge, die ich bisher nur einzeln erleben durfte. Glücklicherweise ist man im Wachzustand recht stark an die Sinnesreize gebunden, was das Erzeugen neuer Handlungszusammenhänge angeht. Stell dir mal vor, dass das nicht so wäre. Nun gut. Doch was ist jetzt mit Denken und Denkobjekt? So richtig gut bilden die die eben beschriebene Situation nicht ab. Eigentlich überhaupt nicht, denn auf der einen Seite haben wir die durch Aktivität erlernten Handlungszusammenhänge, auf der anderen Seite haben wir Denken und Sein als irgendwie getrennt Existierende. Aber eben nur sprachlich. Und das ist es wohl. Sprachlich kann man alles Mögliche anstellen. Und wenn es das Leben vereinfacht, umso besser. Das ist doch dieser Dualismus, von dem kaum noch gesprochen wird? Dass das nur ein Konstrukt ist, was ausschließlich in der Sprache vorkommt, war mir bisher gar nicht so klar. War dir das klar, dass das nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat?

 

So genau habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht. Ich weiß nur, dass die Wirklichkeit funktioniert. Falls der Dualismus nicht funktioniert, dann ist er wohl kein Abbild der Wirklichkeit, was nicht heißt, dass er nicht sehr hilfreich sein kann in bestimmten Bereichen. Und warum sollte der Dualismus überhaupt ein Abbild der Wirklichkeit sein? Wer will das?

 

Keine Ahnung. Solange man 'Denken' nicht irgendwo einbauen will...