Das Nicht der Negativität und das Nicht der Verneinung

 

Dass etwas, das ist, auch nicht sein kann, ist so simpel wie unbedeutend. Kein Erkenntnisgewinn, tödliche Langeweile. Das vollkommen Starre, das von sich aus nicht zur Bewegung Fähige. Der leblose Mechanismus. Und doch geboren, abgesondert, erzeugt oder geschaffen aus dem lebendigen Prozess.

 

Das ‚Nicht‘ der Verneinung ist hier nicht mehr als ein Anhängsel des bereits positiv Bestimmten und hat nichts zu tun mit dem nur negativ bestimmbaren, lebendigen Prozess, der das positiv Bestimmbare (und Verneinbare) hervorbringt.

 

Der für uns an seinen leblosen Resultaten erkennbare, nur negativ bestimmbare Prozess, könnte, aufgrund seiner Nichterkennbarkeit, als etwas Dunkles, Mystisches verstanden werden, als Urgrund der Existenz, als Absolutes oder was auch immer.

 

Eine Frage der individuellen Gemütslage.

 

Das erkannt und beschrieben zu haben, scheint dennoch eine recht große Leistung zu sein für ein biologisches Wesen, das dazu über die Grenze seiner Wahrnehmungsfähigkeit hinausgehen muss.

 

 

„Das Nichts nichtet unausgesetzt, ohne dass wir mit dem Wissen, darin wir uns täglich bewegen, um dieses Geschehen eigentlich wissen.

Was zeugt eindringlicher für die ständige und ausgebreitete, obzwar verstellte Offenbarkeit des Nichts in unserem Dasein als die Verneinung? Diese bringt aber das Nichts keineswegs aus sich als Mittel der Unterscheidung und Entgegensetzung zum Gegebenen hinzu, um es gleichsam dazwischenzuschieben.

Wie soll auch die Verneinung das Nichts aus ihr selbst aufbringen, wo sie doch nur verneinen kann, wenn ihr ein Verneinbares vorgegeben ist? Wie soll aber ein Verneinbares und Zu-verneinendes als ein Nichthaftes erblickt werden können, es sei denn so, dass alles Denken als solches auf das Nicht schon vorblickt? Das Nicht kann aber nur offenbar werden, wenn sein Ursprung, das Nichten des Nichts überhaupt und damit das Nicht selbst, der Verborgenheit entnommen ist. Das Nicht entsteht nicht durch die Verneinung, sondern die Verneinung gründet sich auf das Nicht, das dem Nichten des Nichts entspringt. Die Verneinung ist aber auch nur eine Weise des nichtenden, d.h. auf das Nichten des Nichts vorgängig gegründeten Verhaltens.

Hierdurch ist in den Grundzügen die obige These erwiesen: das Nichts ist der Ursprung der Verneinung, nicht umgekehrt. Wenn so die Macht des Verstandes im Felde der Fragen nach dem Nichts und dem Sein gebrochen wird, dann entscheidet sich damit auch das Schicksal der Herrschaft der ‚Logik‘ innerhalb der Philosophie. Die Idee der ‚Logik‘ selbst löst sich auf im Wirbel eines ursprünglicheren Fragens.“

 

(Heidegger, „Was ist Metaphysik?“, Klostermann, Frankfurt 1960, S.36-37)