Diese Idee eines Universums impliziert die Existenz einer letzten, mehrdimensionalen Wirklichkeit, die, erkennbar oder nicht, zugänglich oder nicht, auf jeden Fall als letzte Realität vorhanden ist.
Durch sie wird alles verstehbar, und alles muss, im Endeffekt, darauf reduziert werden.
Dies entspricht teilweise dem Streben traditioneller wissenschaftlicher Erklärungen, vor allem, der letzten hundert Jahre. Danach wird nach Möglichkeiten gesucht, alle Phänomene auf Grundphänomene zurück zu beziehen.
Ich aber behaupte, dass dies unmöglich ist.
Es handelt sich um Phänomene, die sowohl durch unterschiedliche Elemente als auch durch andersartige Relationen determiniert sind und somit disjunktiven Phänomenbereichen angehören.
So verstanden, kann ich die sozialen Phänomene erklären, indem ich aufzeige, wie dieses Phänomen auf das Verhalten der Komponenten zurückgeht. Das bedeutet aber nicht, das soziale Phänomen auf die Merkmale ihrer Komponenten oder auf den phänomenologischen Bereich, in dem die Komponenten vorkommen, zu reduzieren.
Durch die Operation der Unterscheidung bringst Du hervor bzw. spezifizierst Du die unterschiedene Einheit und gleichzeitig den Existenzbereich dieser Einheit sowie ebenfalls den Bereich der operationalen Kohärenzen, in dem diese Einheit Sinn macht.
Wenn ich zum Beispiel sage: "Dies ist ein Mikrophon", unterscheide ich ein Mikrophon. Ich sehe es mir an, spreche vor ihm und tue zugleich eine Menge anderer Dinge, denn die Unterscheidung Mikrophon bringt gleichzeitig alle Kohärenzen mit sich, in denen ein Mikrophon Sinn macht.
In dem Moment, in dem Du eine Einheit unterscheidest, bringst Du ein Universum, einen Bereich von Kohärenzen hervor. Die unterschiedene Einheit existiert somit in der Handlung, die sie hervorbringt; sie existiert aber auch in einem Bereich von Kohärenzen, in dem sie Sinn hat, nämlich in jenem Bereich, den Du hervorgebracht hast, als Du sie unterschieden hast.
(Aus: Kurt Ludewig, "GESPRÄCHE MIT HUMBERTO MATURANA", 1992)