Das Individuum produziert Aussagen. Doch was produziert das Ich? Wahrheiten?
Da ist sie. Meine Aussage. Mein in die Welt geworfener Satz. Ein Tatbestand. Eine selbständige Existenz. Und als Existierendes kann mein Satz durchaus wahr oder falsch sein. Ist das nicht wirklich unglaublich. Ich bin in der Lage, wahre oder auch falsche Sätze zu produzieren. Selbst zu Zirkelbezügen führende Sätze kann ich produzieren. Ist das nicht ein Wunder? Wie mache ich das nur? Wahrscheinlich steckt die Wahrheit schon tief in mir drin und ich lasse sie einfach an die Oberfläche steigen, damit sie für die ganze Welt sichtbar wird. Und alle anderen machen das ganz genauso. Fantastisch. Vermutlich war die Wahrheit schon immer in mir drin. Ich bin schon damit auf die Welt gekommen. Ich habe mein Leben lang nichts anderes getan, als wahre oder falsche Sätze zu produzieren. Und es gibt so viel zu sagen. So viele Wahrheiten zu erzählen. Nur raus damit. Wahrheit darf nicht verborgen bleiben.
Letztens meinte jemand, ich sei ein gläubiger Mensch, weil ich glaube, wahre Sätze produzieren zu können. Der meinte doch glatt, dass das, was ich produziere, erst einmal noch gar nichts mit Wahrheit oder Unwahrheit zu tun hätte. Dass das, was ich produziere, nur eine Art Lösung einer Aufgabe sei, und dass ich eigentlich die ganze Zeit nichts anderes machen würde, als Lösungen zu produzieren. Was für ein Unsinn. Wo ist denn da der Unterschied? Sind diese Lösungen denn nicht wahr oder falsch? Habe ich echt nicht verstanden. Obwohl, einen kleinen Unterschied gibt es schon. Meine Wahrheiten sind die Resultate logischer Verknüpfungen anderer Wahrheiten. Die Lösungen dagegen sollen das nicht sein. Die sollen irgendwie erst entstehen. Konnte mir der Typ auch nicht so richtig erklären. Meinte irgendetwas mit Kommunikation und Übereinstimmung von erwarteter und tatsächlicher Aktion des Gegenübers. Und dass dabei tatsächlich Neues entsteht. Habe ich nicht so ganz verstanden. Wenn ich nur Lösungen produziere, wann kommt denn dann die Wahrheit ins Spiel? Echt merkwürdig. Bin ich jetzt tatsächlich gläubig oder religiös, nur weil ich glaube in der Lage zu sein, wahre Sätze zu produzieren? Ich war mir da immer ziemlich sicher. Auch wenn ich, das gebe ich ganz offen zu, nie so richtig verstanden habe, wie es möglich ist, dass ich Sätze produzieren kann, die einen Zirkelbezug erzeugen. Ich meine, in mir ist doch deswegen nichts kaputt. Aber wie soll das funktionieren, wenn man doch einfach nur wahre und falsche Aussagen logisch miteinander verknüpft? Besser nicht so viele Gedanken machen. Denn im Großen und Ganzen komme ich prima zurecht. Und wenn ich keine Wahrheiten mehr produzieren würde, was würde dann eigentlich aus meinem Ich? Wäre mein Ich dann auch nur eine Lösung?