Die Zahl als vollkommene Ablösung von Wirklichkeit und Zeitbegriff und der damit einhergehende Verzicht auf selbständige Kommunikationsstrukturen.
Sehr geehrte Zuhörer!
Diesmal wird es wirklich ganz einfach. Denn wir werden wir uns von allen Bezügen zur Wirklichkeit lösen und keinerlei Begriffe benutzen, die sich zurückverfolgen lassen bis hin zu den ursprünglichen Begriffen, die irgendwie mit der Wahrnehmung in Zusammenhang stehen. Jetzt könnte jemand kommen und behaupten, dass das ja gar nicht möglich wäre, da man sich bekanntlich nichts vorstellen kann, das nicht auf Wahrnehmung beruht. Das ist zum einen richtig, doch andererseits gibt es etwas, das völlig abgetrennt von jeder Wahrnehmung existiert, und das ist die Zahl. Die Zahl selbst hat keinerlei Bezug zur Wirklichkeit. Da ist immer noch etwas anderes dabei. Und ohne das geht es nicht. Nehmen wir beispielsweise die Schafe. Wen interessieren schon die individuellen Eigenschaften der Schafe, die jede Nacht gezählt werden. Und selbst der Begriff des Schafes, bei dem es bereits nicht mehr um individuelle Eigenschaften geht, selbst der, mit seinem fortgesetzten Bezug zur Wirklichkeit, ist nicht mehr von Belang. Es gibt nur noch die nackte Zahl. Und mit dem vollständigen Ablösen von irgendwelchen Wahrnehmungsresultaten, ist man die damit in Zusammenhang stehenden Probleme ein für allemal los. Eine Welt der Zahlen, eine Welt ohne Probleme, eine Welt ohne Bezug zur Wirklichkeit und damit ohne wirkliche Probleme, wie es so treffend heißt. Und weil diese Welt der Zahlen diese besonderen Eigenschaften hat, wäre es dann nicht wünschenswert, wenn man auch die Wirklichkeit letztendlich auf die Zahl zurückführen könnte? Dann wäre der Kreis geschlossen. Denn wie sollte es möglich sein, dass der Mensch die Zahl kennt, ohne dass diese in der Wirklichkeit existiert? Wer sich erinnern kann, da ging es doch in einem der Vorträge um diese sogenannten großen Fragen. Ist das vielleicht eine von denen? Ganz bestimmt! Wer sich an dieser Stelle doch etwas unsicher ist, der kann ja mal versuchen, anstatt alle Schafe dieser Welt in einer einzigen Zahl zusammenzufassen, was nun wirklich nicht schwierig ist, und es sollte schon klar sein, dass es hier nicht um die genaue Anzahl geht, sondern um die Methode, derjenige sollte durchaus einmal versuchen, den umgekehrten Weg zu gehen, also von der einzelnen Zahl zur enormen Vielheit individueller Schafe. Gar nicht so einfach, wenn sich alles an nur einem einzigen logischen Ort abspielt. Doch wir wollen nicht vorgreifen, denn das wird sehr schnell sehr kompliziert. Das wäre vermutlich eher etwas für einen späteren Vortrag. Doch zurück zum Wunschdenken. Wie bekommt man nun die Welt der Zahl mit der Wirklichkeit zusammen? Wieder nicht so einfach. Was hilft, ist Wiederholbares, das man beobachtet, ihm Variablen zuordnet und entsprechende Zusammenhänge konstruiert. Ein witziger Nebenaspekt ist übrigens, dass die regelmäßigen Änderungen, die in der Wirklichkeit vorkommen, und auf die man sich gern verlässt und die mit dem Begriff der Zeit versehen sind, dass es diese bei den Zahlen nicht gibt. Zahlen sind zeitlos, was übrigens sehr anschaulich gezeigt wird im bekannten Paradoxon von Achilles und der Schildkröte, deren Wettlauf man gedanklich schnell oder langsam oder rückwärts oder auch gar nicht ablaufen lassen kann. Da gibt es keine Vorgabe. Leider hat man sich im speziellen Fall dafür entschieden, die Zeit in der Art und Weise zu verlangsamen, dass beide Läufer am Ende, also wenn die Zeit letztendlich zum Stillstand gekommen ist, sich exakt nebeneinander befinden. Das mag für Grenzwertbetrachtungen hilfreich sein, lenkt jedoch vom Eigentlichen ab. Doch wir wollen diesen tapferen Gesellen, die furchtlos diesen Weg eingeschlagen haben, und nicht eher ruhen werden, als bis sich die ganze Welt mittels Zahlen beschreiben lässt, nicht weiter im Weg stehen, schließlich sind die dabei gemachten Entdeckungen nicht zu verachten, auch wenn der Begriff des Fortschritts nicht mehr nur positiv besetzt ist. Der Zuhörer mag uns dieses kleine Abschweifen verzeihen, oder auch nicht verzeihen, doch sollte eigentlich die Vier in diesem Vortrag eine gewisse Rolle spielen. Warum die Vier? Bleiben wir bei den Schafen. Man stellt sich ein einzelnes Schaf vor, wie es so dasteht. Ja, das steht eben so da, und könnte maximal ein paar Selbstgespräche führen, was an der Situation jedoch nichts ändert, alles bleibt gleich, möglicherweise bis in alle Ewigkeit. Nun stellen wir ein zweites Schaf hinzu. Die beiden werden kommunizieren, oder auch nicht. Betrachtet man die Kommunikationsstruktur, dann existiert nur ein einziger Pfad, der aktiv sein kann, oder auch nicht. Strukturell sehr eintönig. Nun nimmt man noch ein drittes Schaf hinzu. Jetzt geht schon mehr. Neben der bekannten Möglichkeit der Unterhaltung zwischen zwei Schafen, kann es nun auch mal im Kreis gehen. Doch erst mit der Vier wird es richtig interessant. Hier entsteht plötzlich ein enormer Zuwachs an möglichen Kommunikationsstrukturen und deren unterschiedlichen Abfolgen, und dass, obwohl nur ein einziger Teilnehmer dazugekommen ist! In der Wirklichkeit werden die vier Schafe selbst entscheiden, welche Struktur die im Moment geeignete für sie ist. Vielleicht entwickeln sie ja auch eine Vorliebe für bestimmte Strukturen, die sie dann immer und immer wiederholen. Bleibt nur zu hoffen, dass in so einem Moment nicht gerade jemand zuschaut, der dieses Verhalten sogleich mathematisch beschreibt und dann behauptet, er wüsste nun, wie Schafe funktionieren und werde gleich ein paar Schafroboter bauen mit künstlicher Schafintelligenz. Spaß beiseite. Wer gut zugehört hat, hat sofort bemerkt, dass unsere vier Schafe nichts mit der abstrakten Zahl Vier zu tun haben, dass Zahlen für ihr Handeln überhaupt keine Rolle spielen, dass die vier Schafe Kommunikation und Veränderung selbständig leisten, wozu unsere Zahl Vier, nach vollzogener Abstraktion, nicht mehr in der Lage ist. Und was ist eigentlich mit der Fünf? Definitiv keine dieser großen Fragen aus dem anderen Vortrag, doch bleiben wir die Antwort schuldig, denn in diesem Vortrag ging es tatsächlich um die Vier. Weiterhin viel Spaß beim Zählen der Schafe und bis demnächst. Gute Nacht!