Vermittlung und Reflexionsidentität (6)

Der Übergang vom Denken zum Gedachten als sinnthematische Negation. Der Verlust der ursprünglichen Erlebnissinns durch die klassische Negation.

Versucht man indessen diesen Übergang der Reflexion aus ihrem subjektiven in das objektive Stadium selbst logisch zu begreifen, so kann das nur dadurch geschehen, dass man die Projektion der subjektiven Reflexivität des Bewusstseins auf das Objekt als sinnthematische Negation auffasst. Wie der ichhafte Erlebnissinn des Subjekts im Objekt „verneint“ wird, haben wir an dem Beispiel der Disjunktion dargestellt, aber zugleich auf die Schwäche dieser Theorie aufmerksam gemacht, nämlich dass durch Anwendung der klassischen Negation der ursprüngliche Erlebnissinn „Disjunktion“ vollkommen verloren ging. Dieser subjektive Sinn wurde in der Objekt-Projektion entweder zur Konjunktion, zur Unvereinbarkeit oder zu irgendeinem anderen logischen Motiv. Und es war nicht einmal festzustellen, welcher Inversion des ursprünglichen Motivs dabei der Vorzug gegeben werden sollte.

Wenn wir die Problematik der Logik der Reflexion, so wie sie sich Hegel darstellt, nun etwas weiterverfolgen, so dürfen wir nie vergessen, dass dieselbe in der spekulativen Dialektik immer nur im Rahmen der zweiwertigen Aristotelischen Reflexion auftritt. Aber selbst dieses zweiwertige Denken war damals noch nicht in seiner strengen kalkülmäßigen Form bekannt, so dass sich Hegel über die exakte Vieldeutigkeit der Negation im Kalkül (ex falso quodlibet) nicht Rechenschaft zu geben imstande war. Er ist sich nirgends klar darüber, dass die Negierung des Disjunktionssinns WWWF als WFFFF, FFFW, FWWW oder sogar als WFWW, WWFW, FWFF, FFWF aufgefasst werden kann.

 

(Aus: Gotthard Günther, „Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik“, Felix Meiner Verlag, 1978, S. 356-357)