Das neue logische Problem, von dem sich Hegel konfrontiert sieht, lässt sich also in der folgenden Frage formulieren: Mit welcher neuen Logik kann man die klassische zweiwertige Logik von Identität, verbotenem Widerspruch, ausgeschlossenem Dritten und zureichendem transzendentalen Grunde denken? In dieser Fassung ist das Problem höchst modern und wird de facto in Teilaspekten in der heutigen mathematischen Logik abgehandelt. Die Russelsche Typentheorie ist eine mögliche (und nicht sehr zureichende) Antwort auf die Frage. Der Intuitionismus ist eine andere Methode, sich diesem Problem zu nähern. Die Aufteilung der philosophischen Logik (Semiosis) in Syntax, Semantik und Pragmatik ist ein wieder anderer Schritt in dieser Richtung. In dem Gegensatz von Syntax, Semantik und Pragmatik sind die Hegelschen Unterscheidungen verschiedener reflexiver Orientierungen des theoretischen Bewusstseins nicht allzu schwer wiederzuerkennen.
Aber allen neueren Versuchen, so sehr sie im Detail Hegel an Präzision und kompetenter Methode übertreffen, lassen jene fundamentale Einsicht der spekulativen Logik vermissen, dass die Reflexion-in-sich auf die Reflexion-in-sich eine qualitativ verschiedene und logisch allgemeinere Bewusstseinslage voraussetzt, verglichen mit derjenigen, die an der klassischen Logik von Identität und verbotenem Widerspruch orientiert ist. Hegel sieht ganz genau, man kann die klassische Logik nicht in Erweiterungen ihrer selbst denken, indem man ihren Bestand entweder in hierarchische Typenordnungen, die sich ins Unendliche fortsetzen können, aufteilt oder indem man ihr Zusätze anfügt, in denen die ursprüngliche thematische Axiomatik rigorosen Restriktionen unterworfen ist.
(Aus: Gotthard Günther, „Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik“, Felix Meiner Verlag, 1978, S. 311)