Wenn man aber nur ganz allgemein und unbestimmt vom Subjekt-überhaupt und Objekt-überhaupt spricht, so hat das zur Folge, dass die auf dieser Unterscheidung aufgebauten Begriffe hochgradig formal sein müssen, um gegen solche Differenzen wie die von ich-hafter und du-hafter Subjektivität indifferent zu sein. In der Tat ist gegen den allzu abstrakten Formalismus der traditionellen Logik oft Klage erhoben worden. Diese Klage ist fast so alt wie die Logik selbst, und im transzendentalen Idealismus hat sie schließlich zu einer Verwerfung des von allen gegenständlichen Unterschieden überhaupt abstrahierenden Denkens geführt. Aber die höfliche Geste, mit der Kant die traditionelle Logik beiseite schiebt und sie durch seine Transzendentaltheorie ersetzt, geht entschieden zu weit. Der Missbrauch, den Hegel später mit dem sogenannten „konkreten“ Denken getrieben hat, zeigt deutlich, wohin die radikale Abwendung vom formalen Denken schließlich führt. Und überdies kann man weder in der Mathematik noch in den empirischen Naturwissenschaften mit der sogenannten transzendental-spekulativen Technik irgendwelche, geschweige denn einwandfreie Ergebnisse erzielen.
Trotzdem war die Klage über den übermäßigen Formalismus der klassischen Tradition, der nur den Unterschied zwischen Subjekt-überhaupt und Objekt-überhaupt anerkennt und nichts weiter, in ihrem innersten Kern berechtigt. Jene tiefe Unzufriedenheit mit der überlieferten Technik der Abstraktion deutete auf einen philosophischen Irrtum hin, der jetzt zu berichtigen ist, der aber seit Aristoteles alle philosophischen Gemüter beherrscht hat.
(Aus: Gotthard Günther, „Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik“, Felix Meiner Verlag, 1978, S. 324, 325)