Es ist das allgemeine Dilemma monokontexturaler Formalismen, Kalküle und Programmiersprachen, dass ihre konzeptionelle Vielheit immer formal auf Einheit reduzierbar ist.
Beide haben viel zur Klärung der Standpunktabhängigkeit unseres Wissens geleistet indem sie die Systemtheorie um eine Theorie des Beobachters ergänzt haben. Es ist nicht grundsätzlich gelungen, den durch die Einführung des Beobachters induzierten Solipsismus- und Relativismusverdacht zu entkräften. Der Hauptgrund für diesen Mangel besteht darin, dass es dem Konstruktivismus und verwandten Theorien nicht gelungen ist, den Beobachter selbst zu relativieren. Die Beobachtertheorie geht formal von einem und nur einem Beobachter aus. Dieser eine und einzige Beobachter lässt sich zwar in seinen Beobachtungsfunktionen iterieren indem er Beobachtungen von Beobachtungen usw. generiert. Doch die Beobachter zweiter, dritter usw. Stufe folgen einander sukzessiv, sie sind nicht zugleich als Beobachter gleicher Stufe in Aktion. Nur wenn mindestens zwei Beobachter gleichwertig bzw. gleichursprünglich simultan und parallel agieren, haben sie die Möglichkeit die Relativität ihrer jeweiligen Standpunkte gegenseitig zu reflektieren.
Die Möglichkeit der Ent–deckung des blinden Flecks ist in der Polykontexturalitätstheorie dadurch gegeben, dass zur Bestimmung eines Objekts eine Vierheit von Positionen im Spiel ist, die sich gegenseitig und gegenläufig die Möglichkeiten der Ent–deckung der jeweiligen Ver–deckung zuspielen.
In den neueren Arbeiten Luhmanns ist diese Problematik aufgenommen worden und es wird eine Verteilung der Beobachter vorgeschlagen, einerseits in der Zeitdimension und andererseits im sozialen Raum. Damit verlagert sich die Problematik von der Theorie der Beobachtung in die Theorie der Voraussetzungen der Beobachtung; nämlich in die Problematik von Raum und Zeit. Diese können jedoch nicht problemlos vorausgesetzt werden, sondern sind selber wieder abhängig von der Operation der Beobachtung.
In der KI-Forschung wird etwa die Mehrsorten-Logik zur Einführung von Kontexten untersucht. Sie bietet einen gewissen Spielraum für verschiedene Bereiche und Parallelismen, verbleibt jedoch im Rahmen der monokontexturalen Logik. D.h., die Mehrsorten-Logik hat keine höhere logische Ausdruckskraft als eine einsortige, sie ist durch diese modellierbar.
Es ist das allgemeine Dilemma monokontexturaler Formalismen, Kalküle und Programmiersprachen, dass ihre konzeptionelle Vielheit immer formal auf Einheit reduzierbar ist.
Die polykontexturale Logik bietet den Sprachrahmen zur Formulierung, Formalisierung und Implementierung solcher komplexer paradoxaler und selbstbezüglicher Begriffsbildungen. So wird sie in avancierteren europäischen Arbeiten im Bereich der Robotik, zur Modellierung von Multi-Agenten eingesetzt.
(Aus: Rudolf Kaehr, "Zur Dekonstruktion der Techno-Logik & Hinführung zur Graphematik", S.29)